SZ (21.09.)

 

Da wechseln sich „Jahrhundertfluten“ und „Jahrhundertsommer“ in rasendem Tempo ab, versalzen die Böden und plastifizieren die Meere, ganze Regionen werden absehbar unbewohnbar, da erkranken und sterben Menschen, steigen die sozialen, psychischen, ökonomischen Kosten der Katastrophen – aber noch immer sollen alle Maßnahmen, die dem Erhalt lebenswerter Gegenden dienen, noch immer soll der Ausbau erneuerbarer Energien oder nachhaltiger Mobilität, noch immer soll der Schutz von Menschenleben eine Zumutung realitätsferner Klimaaktivisten sein?

Es ist absurd. Nicht Naturschutz ist ideologisch, sondern dessen blindwütige Verweigerung. Man könnte über die historische Ironie schmunzeln, wenn es nicht so bitter wäre. Was als dogmatisch und was als realpolitisch gilt, ist zu einer öffentlichen Travestie geworden. Ausgerechnet diejenigen, die eine realistische Wahrnehmung der ökologischen Gefahren für unsere Gesellschaft haben, werden hemmungslos dämonisiert. Die Grünen werden von Teilen der CDU, den Liberalen, der AfD als populistischer Punchingball benutzt, an dem sich mal albern, mal hasserfüllt abreagieren lässt. Naturschutz wird als woke, als ideologisch, als wirklichkeitsfern diskreditiert. Und ausgerechnet diejenigen, die mit schlafwandlerisch-selbstbewusster Leugnung der Wirklichkeit den Klimaschutz ausbremsen und Leben gefährden, behaupten sich als undogmatisch und nahbar.

Ausgerechnet die CDU, die sich als verantwortungsbewusste Partei der Bewahrung von Wohlstand und Sicherheit verstehen sollte, ist vor lauter Anti-Klimaschutz-Dogma unwillig oder unfähig, die notwendigen Bedingungen der Energie- oder der Verkehrswende zu erkennen. Die fehlenden politischen Vorgaben und Anreize verhindern genau das, was die marktfreundlichen Konservativen eigentlich für sich beanspruchen: internationale Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum.…..

Es ist nicht zu verstehen, warum die Grünen auftreten, als müssten sie sich schämen, weil sie sich noch nicht vollständig dem populistischen Angst-und-Ressentiment-Tetris ergeben haben. Es ist nicht zu verstehen, warum die Grünen sich derart einschüchtern lassen von einer Politik der ideologisierten Posen. Es wird Symbol-Popanz betrieben, wo sachliche Kontroversen nötig wären. Es ist allerdings auch nicht zu verstehen, warum in manchen Redaktionen der Medien dieses Spektakel auch noch angefeuert und mitgespielt wird. Es ist ja nicht so, als wüsste niemand, was die Zahlen tatsächlich hergeben, es ist ja nicht so, als gäbe es keine wissenschaftliche Expertise, es ist ja nicht so, als erlebten nicht alle selbst, wie die Klimakrise die sozialen, kulturellen, ökologischen Grundlagen unseres Lebens zerstört, wie sie gerade diejenigen trifft, die ohnehin schon verwundbarer und schutzloser sind. Wer immer noch glaubt, mit voyeuristischer Lust an Empörungsfolklore die Agenda setzen zu müssen, wer immer noch glaubt, nur Stimmungen spiegeln zu müssen anstatt die Wirklichkeit, macht sich zum Komplizen des Irrationalen…..