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(SZ) Es gibt ja vieles zu beklagen in diesen Zeiten des Lock-, Shut- und Shitdowns, und all das würde man gerne bei seinem Lieblingsbarkeeper loswerden. Aber den hat man seit Monaten nicht mehr gesehen, weiß der Himmel, was aus ihm geworden ist. In den Theatern weben Spinnen filigrane Bühnenvorhänge, die Spaziergänge nächtlicher Schlafwandler enden auf dem Polizeirevier, und jetzt vernaschen die Engländer auch noch unseren Impfstoff, weil sie schon vor Jahren ahnten, dass sie ohne die EU schneller an das Zeug herankommen würden. Ein Trost aber bleibt, ein Licht in der Nacht, das über alle Unannehmlichkeiten hinweghilft: Der Fußball rollt weiter. Er rollt und rollt, als gäbe es kein Covid-19, kein Home-Office und keinen Prof. Dr. Drosten, er rollt durch die Tiefe des Raums hinein in unsere Herzen, wo er seine frohe Botschaft verkündet: Fürchtet euch nicht! Mag die Welt auch untergehen, die Bundesliga bleibt, und natürlich auch die Champions League.

Anfangs hatte man noch die Befürchtung, so ein Spiel vor leeren Rängen wäre eine matte Sache, weil die Schlachtgesänge und Prügeleien der Hooligans fehlten. Heute weiß man, dass derlei Krawall-Inszenierungen, so erfrischend unkorrekt sie sein mochten, etwas viel Besseres übertönten, nämlich die Schmäh- und Schimpftiraden der Trainer, Mannschaftsärzte, Vereinsköche und Mental Coaches am Spielfeldrand, die jedes Geisterspiel in ein Theaterereignis von Shakespear’scher Sprachgewalt verwandeln. Am eindrucksvollsten aber sind die Darbietungen der Spieler. Der Mönchengladbacher Marcus Thuram zum Beispiel, der seinen Gegenspieler während eines Meinungsaustauschs kurzerhand anspuckte – eine Frank-Rijkaard-Gedächtnisaktion wie aus dem Lehrbuch. Für die Jüngeren: Der Holländer Rijkaard hat bei der WM 1990 den schöngelockten Rudi Völler angespuckt, den deutschen Zauberstürmer, der für große Vereine wie 1860 München und AS Rom spielte. Apropos Italien: Im Mailänder Derby standen sich Zlatan Ibrahimović und Romelu Lukaku, beide mit großem Talent für böse Blicke ausgestattet, Stirn an Stirn wie brünftige Steinböcke gegenüber, wobei Worte gefallen sein sollen, die selbst der abgebrühteste Bock nicht in den Mund nehmen würde. In solchen Momenten erfüllt den Zuschauer die beglückende Gewissheit, dass noch im härtesten Lockdown großes Kino möglich ist.

Keine Frage, der Fußball muss weiterrollen bis zum Jüngsten Tag. Auf dem Spielfeld dürfen Männer noch Männer sein, statt als verweichlichte Achtsamkeitsluschen im Eltern-Kind-Café herumhocken zu müssen. Im Fußball kann der Mann noch zeigen, was er draufhat; da kann er kratzen, beißen, treten und spucken, dass es eine Freude ist. Und egal, wen der Trainer aufstellt: Testosteron spielt immer mit.

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