Landhausmode

Gegen Mode in der Tracht

 Und wann des no ned g’langt

schmeißt mer’s in’d Loamgruam nei

denn so a Lederhosn

muaß schäbi‘ sei!

 

Josef Bauer, vulgo Kraudn Sepp

Ja, es geht hier unter anderem um die Lederhose, jenes uralte Haxnfutteral, das die Bewohner des Alpenraumes charakterisiert wie die Schotten der Kilt und die Holländer die Clompen. Über Jahrhunderte gewachsen, von Generation zu Generation überliefert und teilweise sogar vererbt, ist die Lederhose bis zum heutigen Tag, von regionalen Unterschieden in z.B. Stickerei und Nahtführung einmal abgesehen, im Großen und Ganzen in ihrer ursprünglichen Form und in ihren Elementen wie zum Beispiel Hosenlatz, Trägerg’schirr und Messertasche unverändert geblieben.

Leider aber hat dieses großartige Beinkleid in den letzten Jahren eine ebenso zweifelhafte wie gefährliche Konkurrenz bekommen, die ähnlich wie der Volksmusikantenstadl erheblich zur Verwaschung, Verfremdung, Profanisierung und damit letztlich zur Ausrottung alpenländischer Traditionen beiträgt. Dummerweise läßt sich aber damit und vor allem mit den Deppen, die daran Gefallen finden, ein Heidengeld verdienen. Dieser Zweck heiligt wie immer alle Mittel.

Die Rede ist von der sogenannten Landhausmode. Allein diese Bezeichnung muß zum Brechreiz führen und steht konsequenterweise dem damit Bezeichneten in nichts nach. Handelt es sich hierbei um  Mode, die man in Häusern auf dem Land anlegt? Offensichtlich. Denn durch das Tragen von Landhausmode meint ein Sommerfrischler scheinbar die für ihn ansonsten sehr schwierige Gratwanderung zwischen „ländlichem Look“ und dennoch ausreichender Distanz zum dort ansässigen ruralen Pöbel bewältigen zu können. Mit dem möchte man sich nämlich nicht gerade vollständig auf eine Stufe herabbegeben. Immerhin verdient man sein Geld ja mit seinem Kopf, nicht mit seinen Händen. Ähnlich dem Anwatlskaschperl das mit seinem bisserl Geld dem Irrglauben erlegen ist, sich mit seiner Harley Davidson nicht nur ein Motorrad sondern gleich noch einen Teil der großen Freiheit und der Verwegenheit echter Biker mit dazu geleast zu haben.

Immer öfter beobachtet man diese zusammengezwickten Landhaus“maderln- und buam“ in Bierzelten oder auf „zünftigen“ Festen, wie sie in ihren Kartoffelsackleiberln mit hinpolierten G’sichtern zusammen mit Gleichgesinnten auf den Bierbänken herumrutschen und „He-ey, Baby…“ singen. Danach ein kräftiger Schluck aus dem leider viel zu schweren Krug (der, den Rednern entsprechend, herrlich geschlechtslos „ein“ mit gedehntem „a“ gesprochenes „Maas“ heisst und in dem das Bier schon seit einer Stunde lack herumsteht), natürlich mit beiden Händen und nicht ohne vorher mehrmals den Rand „des Maas“ mit der Papierserviette abgeputzt zu haben. Es könnten ja Bakterien dran sein. Man hat aufgepaßt bei den Wiesn-Reportagen auf RTL2.

Farblich erinnert uns die Garderobe dieses eindimensionalen Bierzeltprekariats eher an die Uniformen amerikanischer Soldaten im Wüstenkrieg gegen den Irak als an die Farben echter alpenländischer Trachten. Zierelemente, im Original oft Jagdtrophäen wie Hirschhornknöpfe oder Ornamente wie handgearbeitete Stickereien, werden ersetzt durch kitschig-sinnloses wie Riemchen, Schnällchen und Bändchen. An die Stelle der Hosenträger tritt jetzt ein großindustriell gefertigter „Kälberstrick“, wie ihn sich damals wohl nicht einmal das ärmste Kuchlmentsch umgebunden hätte.

Das Kropfband der „Dirndln“ ist verkommen zu einem billigen, mit Edelweiß bedruckten Halstuch, und die besonders (mode)traditionsbewußten hängen sich zusätzlich noch ein dickes Edelweiß aus Kunststoff hin. Wer würde einer solch genetischen Dreingabe auch jemals ein echtes Edelweiß vom Berg holen? Ebenfalls interessant sind diverse Hemd-Kreationen mit allerhand fragwürdig-phantasievollem Stick- und Druckwerk. Dargestellt werden mit Vorliebe Jäger bzw. Wildschützen oder Holzknechte mit Zugsäge oder anderen Werkzeugen. Diese Kleidungsstücke gefallen besonders gut an Krischperln, denen man auf 50m schon ansieht, daß sie noch nie etwas schwereres als eine Tube Haargel in der Hand gehabt haben. Wenn es der Träger in der damaligen Zeit gewagt hätte, sich zu den auf seinem Hemd abgebildeten Gestalten an einen Tisch zu setzen, wären schon vor dem ersten „Hallo“ die Fäuste geflogen. Die der anderen.

Sehr toll nehmen sich auch großflächige Aufdrucke auf den „Jankern“ aus. Dort kann man sinnlose Jahreszahlen erkennen und manchmal sogar Teile von Gedicht- bzw. Liedtexten lesen. So etwas gehört natürlich unbedingt auf eine Jacke gedruckt, selbst wenn oder vielleicht gerade weil der Träger kein einziges alpenländisches Dialektwort versteht geschweige denn selbst zu sprechen in der Lage wäre und statt dessen lediglich „O-achkatzlschwo-af“ hervorkünsteln kann. Auf der Jacke eines Unwissenden soll einmal gestanden haben (natürlich im Dialekt und daher für den Träger nicht dechiffrierbar): „Glaubt’s mer’s hoid, I bin a Preiss, dass I bleed bin is nix Nei’s.“

Die „Lederhose“ sieht aus als sei sie aus einer Vielzahl von alten Fensterledern zusammengeflickt und zerreißt gewöhnlich schon bei der ersten Rauferei. Sie geht über die Knie, nicht aber bis ganz hinunter und erinntert den Schnitt betreffend eher an eine zu lang geratene Bermuda-Short. Dazu passen alberne Wollsöckchen und noch albernere braune „Haferlschuah“-Imitate aus Veloursleder mit dem unvermeidlichen, aufgeklebten, allgegenwärtigen Plastik-Edelweiß.

Auf keinen Fall fehlen im Schrank eines original Wühlkorb-Trachtlers darf auch das obligate rot-weiss klein- (besser noch: gross-) karierte Hemd, wahlweise mit oder ohne auswurffarbenen Rupfensackapplikationen und Kordeln. Mit letzteren sieht es zumindest nicht auf den ersten Blick aus wie ein von unterbezahlten Vietnamesinnen umgearbeitetes Tischtuch.

Ganz „wuide Deifln“ leisten sich vom Rest des Bankkredites noch eine „original Landhaus Kopfbedeckung“. Diese setzt dann der wandelnden Lachnummer noch den Schlagobers auf. Für die Maderln gibt’s ein Barrett, die Buam begeben sich, zwar schlecht rasiert, dafür aber ekelhaft parfümiert, peinlich-verwegen unter einen künstlich gealterten grauen Chemiefaserhut, der in farblichem Kontrast, jedoch passend zum Rest des Mehlsack-Outfits, einen hellbraunen, billig aufgeflickten, ausgefransten Strick als Hutschnur besitzt.

Ausgesucht und gekauft wird so ein „Pauschal Wiesnoutfit“ bevorzugterweise in pressluftmusikverseuchten Klamotten-Kaschemmen in Innenstadtnähe, in denen man von sichtbar übergewichtigen und tätowierten Verkäuferinnen mit Nasenpiercing und Plateauschuhen fachlich hochwertigst beraten wird. „Is voll In, woisch!“. Trotz minderwertigster Qualitaet ist das Zeug sauteuer, aber man hat ja gewußt daß „eine echte Tracht richtig viel Geld kostet“.

Landhausdepperl meiden die erdige Gesellschaft

Derart trachtentuemlich ausgestattet glaubt auch selbst noch der depperste Hanswurscht ein Packerl Gaudi aufreissen zu können. Aber wehe man trinkt zu viel oder schüttet sich gar ein Bier über die Hose! Ohjeohje – wenn’s schon „trachtig“ aussehen muß, dann braucht es deshalb ja noch lange nicht so zuzugehen.

„Wie peinlich, was sollen denn da die anderen Leute denken?“

Tja, die denken ganau das was Ihr befürchtet. Denn Menschen die sich in ihrem Granatenrausch im Bierzelt das fettige Messer nach der Brotzeit an den Hosenfuß hinputzen unterhalten sich an Euch 1000 mal besser als an der 5-köpfigen Scheißkapelle, die da vorne Euch zu Ehren das achte mal den „Anton aus Tirol“ aus ihren synapsenfreien G’schwollschädeln presst.

„Wie war’s im Bierzelt?“

„Naja, ganz nett, aber ziemlich asozial… lauter Betrunkene!“

Aber geh! Wenn der einzige Grund, in ein Bierzelt zu gehen, derjenige ist, daß es jetzt „IN“ ist, einen auf ländlich zu machen, schlage ich einen Besuch bei „Marianne und Michael“ zum lustigen Volksverdummungs-Jodlerabend incl. Schunkelgaudi vor. Dort kann man dann mit Frau Dr. Brezner in gepflegter Atmosphäre ein Glaserl Deidesheimer Bauernseufzer mit dem abgespreitzten kleinen Finger trinken und sich beim Essen ein Tücherl über die neue Hose legen. Und mit etwas Glück tritt als Special-Guest ja vielleicht noch Verlierian Silberfisch auf.

Kurz gesagt: es kotzt mich an!

In der Tracht gibt es keine Mode, denn sie unterliegt nicht dem Wandel der Zeit! Genauso wenig, wie es in der Volksmusik (im Gegensatz zur volksdümmlichen Musik) keine Hitparade gibt. Auch die „Trachtenmode“ als vermeindliche „bessere Form“ der Landhausmode ist daher ein Widerspruch in sich.

 Landhausmode aber nimmt für sich eine gewisse Trachtenverbundenheit in Anspruch, ja sie sieht sich sogar als „Weiterentwicklung“ und letzte Überlebenschance der Trachten. Dies ist aber grundfalsch, denn wie oben erklärt haben Landhausmode und Tracht nichts gemeinsam. Mit Ausnahme der Tatsache, daß sich peinliche C&A-Trachtler leider immer wieder gerne an den selben Orten aufhalten wie Freunde des Originals. Erstere werden aber von letzteren aufgrund ihres gemieteten Aussehens sofort enttarnt und durch geschicktes oder offensichtliches Taktieren ausgegrenzt. So genügt es oft schon, einem Neo-„Traditionalisten“ eine Pries’n anzubieten damit er sich angewiedert abwendet.

Die Tracht ist nur ein kleines Steinchen im großen Mosaik der alpenländischen Kultur, die es gilt zu erhalten und gegen schädliche Einflüsse von Außen zu schützen. Ich wehre ich mich gegen den Ausverkauf, die Kommerzialisierung und die Profanisierung der alpenländischen Trachten!

Robert J. Fendt

Augsburg, im Herbst 2001

 überarbeitet im Sommer 2009